Diversity

Was post-hierarchische Organisationsformen mit Geschlechtergerechtigkeit zu tun haben

Ich lese grade ein tolles Buch. Der ‚Loop-Approach‘, beschreibt einen Ansatz zur Transformation von Organisationen. Die Autoren stützen sich dabei unter anderem auf das Rollenmodell der Holocray-Bewegung. Diese geht davon aus, dass Verantwortlichkeiten in Unternehmen nicht mehr an Stellen, sondern an Rollen geknüpft sind.

Schauen wir uns ein Beispiel an: In hierarchischen Organisationen gibt es die Position der Führungskraft. Diese Position beinhaltet in der Regel verschiedenste Verantwortlichkeiten: Die strategische Ausrichtung des Teams, zentraler Ansprechpartner zu sein, Informationen im Team zu verteilen, effiziente Kommunikation sicher zu stellen und seit neuestem auch Mitarbeiter*innen als Coach in ihrer Entwicklung zu begleiten. Klingt viel? Ist viel. Und alles können die wenigsten richtig gut.

Rollen statt Positionen

Rollenbasierte Organisationsmodelle brechen diesen Widerspruch auf und teilen Verantwortlichkeiten nach Kompetenzen im Team auf. Die Position Führungskraft beispielsweise könnte in die Rollen Lead, Transparenzbeauftragte*r, Facilitator und Coach aufgesplittet werden. Diese Aufgaben können dann im Team verteilt werden. Ein* Mitarbeiter*in kann dabei mehrere Rollen einnehmen.

Der Vorteil an rollenbasierten Modellen ist, dass eine höhere Entscheidungsqualität und Geschwindigkeit entstehen kann. Und gerade das brauchen Organisationen heute, um mit der enormen Innovationsgeschwindigkeit Schritt halten zu können. In post-hierarchischen Organisationen werden Aufgaben und Verantwortlichkeiten von denjenigen übernommen, die es am besten können. Das steigert die Qualität und macht mehr Spaß, weil Mitarbeiter*innen mehr davon machen können, was sie gut und gerne tun.

Gleichberechtigung fördern

Gleichzeitig ist es ein Schlüssel zu mehr Gleichberechtigung. Nach meiner Erfahrung scheitert Gleichberechtigung im Management oft an unseren Erwartungen an Führungskräfte. Sie sollen eierlegende Wollmilchsäue sein (siehe oben) und müssen gleichzeitig extrem verfügbar sein. Denn nur so lässt sich der Anschein erwecken, alle Erwartungen erfüllen zu können.

Ich persönlich kenne eigentlich niemanden, dem das vollständig gelingt. Egal ob Mann oder Frau, Teilzeit oder Vollzeit. Der Unterschied ist nur, dass sich Männer das vielleicht eher zutrauen und Frauen oft kritischer mit sich selbst sind. Und damit die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit so realistisch einschätzen, dass sie sich davon abschrecken lassen.

Verantwortung in Teilzeit ermöglichen

Ein rollenbasiertes Organisationsmodell bietet den großen Vorteil, dass ich mich auf das konzentrieren kann, was mit liegt. Zum anderen bietet es Mitarbeiter*innen in Teilzeit die Möglichkeit verantwortungsvolle Aufgaben zu übernehmen. Anstatt für Strategie, Koordination, Transparenz, Kommunikation und das Coaching der Mitarbeiter*innen verantwortlich sein zu müssen, kann ich mir die Rolle(n) rauspicken, die gut zu mir und meinem aktuellen Zeitbudget passen. Ich bin überzeugt davon, dass wir dadurch mehr Frauen und mehr Qualität in Führung bekommen könnten.

Aber wo ist der Haken and der Sache? Ganz einfach: Dieses Modell bricht mit vielen Gewohnheiten und es geht ans Eingemachte. Uns zwar ans Geld. Denn rollenbasierte Organisationsmodelle brechen die Vergütungsmodelle der hierarchischen Pyramide auf. Wenn Verantwortung breiter gestreut wird, gibt es keine Rechtfertigung mehr für die (teilweise exorbitanten) Gehälter der Führungsriegen. An dieser Entwicklung haben die wenigsten Führungskräfte Interesse. Und das ist ja auch gut nachzuvollziehen –  ich habe selbst schon darüber nachgedacht, wie das für mich wäre. Mit wie viel weniger könnte ich auskommen? Was brauche ich wirklich zum Leben? Und wie viel Komfort möchte ich aufgeben?

Ein großer Schritt für…

Ich glaube, dass diese Modelle in ehemals hierarchischen Organisationen entweder nur über eine längeren Zeit – in der sich Mitarbeiter*innen gegebenenfalls umorientieren können – etabliert werden können. Gleichzeitig braucht es einen gesellschaftlichen Wandel hin zu mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Und es braucht einen starken Sponsor aus der Spitze der Organisation, der das Modell gegen Widerstände verteidigt. Dieses Paradoxon aufzulösen ist einer der Herausforderungen unsere Zeit. Ich bin gespannt, ob es uns gelingt.

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