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Führen in Teilzeit,  HR-Wissen

Führung in Teilzeit als Erfolgsmodell

Fast jede:r von uns kennt im Freundes- oder Bekanntenkreis so einen Fall. Eine – meist weibliche – Führungskraft will im Job kürzertreten. Und dann geht der Ärger los: Manchmal wird der Wunsch nach Führung in Teilzeit gleich mit einem „das geht bei uns nicht abgelehnt. Oder der/die Chefin erwartet, dass in weniger Zeit dieselbe Arbeit wie vorher erledigt wird. Das kann auf Dauer nicht funktionieren und ist ein sicherer Weg Mitarbeiter:innen auszubrennen und Teams zu frustrieren.

Aber warum läuft es dann oft immer noch so? Ich habe den Eindruck, dass viele Unternehmen dem Wunsch nach einer reduzierten Arbeitszeit auf einer Führungsposition eher hilflos gegenüberstehen. Es werden nur die negativen Auswirkungen auf die Erreichbarkeit und Verfügbarkeit der Führungskraft gesehen und Ängste geschürt. Dabei sind Führungskräfte mit Teilzeitwunsch eine Steilvorlage für eine Entwicklung hin zu mehr Selbstorganisation.

Wer profitiert alles davon?

Ich habe selbst erlebt, wie es anders gehen kann: Nach meinem ersten Kind bin ich als Führungskraft in Teilzeit gestartet. So musste ich schnell dafür sorgen, dass auch ohne meine Anwesenheit Entscheidungen getroffen und Ergebnisse erzielt werden. Das war mein Glück – denn wahrscheinlich wäre ich eine schlechtere Führungskraft geworden, wenn ich mehr Zeit zur Verfügung gehabt hätte. So musste ich Kontrolle durch Vertrauen ersetzen und durfte erleben, wie gut es sich anfühlt, als Team gemeinsam Verantwortung zu übernehmen.

Heute bin ich davon überzeugt, dass Führung in Teilzeit zum Erfolgsmodell für alle Beteiligten werden kann:

  • Zunächst gewinnt natürlich die Führungskraft Flexibilität und freie Zeit, die sowohl beruflich als auch privat genutzt werden kann. Manche widmen die Zeit ihrer Familie und Freunden, andere betreiben ein Hobby zum Ausgleich oder engagieren sich gesellschaftlich.

  • Aber auch das Team profitiert von mehr Eigenverantwortung und Gestaltungsspielraum, wenn die Teilzeit-Führungskraft Verantwortung mit dem Team teilt. Sie ermöglicht ihren Teammitgliedern damit persönliches und berufliches Wachstum und mehr Verantwortungsübernahme.

  • Davon kann das gesamte Unternehmen profitieren, wenn möglichst viele Mitarbeiter:innen sich mit ihrem Ideen und Fähigkeiten einbringen. Gleichzeitig vergrößert sich damit den Kreis potenzieller Führungskräfte und sichert die qualifizierte Besetzung wichtiger Positionen im Unternehmen. Nehmen Frauen Führung in Teilzeit wahr, kommen noch weitere positive Aspekte hinzu. Eine Studie hat kürzlich gezeigt, dass Unternehmen von Geschlechterdiversität in Führungsteams durch mehr Umsatz profitieren.

  • Aber auch Familien haben Vorteile von mehr Teilzeitmöglichkeiten für Führungskräfte. Mit der Geburt eines Kindes gibt ein nicht unerheblicher Teil der Mütter ihre Erwerbstätigkeit zeitweise auf und kehrt erst mit zunehmendem Alter des Kindes wieder in das Erwerbsleben zurück. Bei Vätern hingegen ist nur eine minimale Veränderung der Erwerbstätigenquote in Abhängigkeiten vom Alter der Kinder festzustellen. Wenn Führung in Teilzeit als Chance statt als Risiko wahrgenommen würde, wäre es sowohl für weibliche Führungskräfte mit Kindern leichter möglich in Führungspositionen zu bleiben als auch für Männer in Führungspositionen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren.

  • Und zuletzt bin ich überzeugt davon, dass die Möglichkeit zu Führung in Teilzeit auch positive Auswirkungen auf die Gesellschaft hat. Ausreichend Zeit für die Familie, Freunde, Hobbys, Angehörige oder gesellschaftliches Engagement sind ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige und positive Gesellschaftsentwicklung.

Was können Unternehmen dafür tun, damit Führung in Teilzeit gut funktioniert?

Damit diese Vorteile zum Tragen kommen, sind nach meiner Erfahrung folgende Punkte zu beachten:

  • Klare Rollen und Verantwortlichkeiten: Jede:r weiß genau, was ihre/seine Aufgaben sind und welche Verantwortlichkeiten der Rolle zugeordnet sind. Neue Aufgaben, die einer Rolle zugehörig sind, werden von den Rolleninhabern angenommen und bearbeitet.
  • Konsequente Stärkenorientierung: Damit mehr Selbstverantwortung gelingt, ist eine konsequente Stärkenorientierung bei der Verteilung von Arbeit wichtig. Letztendlich werden dadurch die Potentiale der Mitarbeiter:innen für das Unternehmen besser genutzt und bei den Mitarbeiter:innen steigen Motivation und Zufriedenheit.
  • Transparente Entscheidungswege: Alle im Team wissen, wie und wo Entscheidungen getroffen werden. Entscheidungen im Rahmen der einzelnen Rollen, werden von den Rolleninhaber:innen getroffen. Für Entscheidungen, die außerhalb des Verantwortungsbereichs einer Rolle liegen, gibt es klare und transparente Entscheidungswege und -regeln, die allen Beteiligten bekannt sind.
  • Unterstützung des Teams: Das Team hat Zugriff auf einen Coach oder Facilitator, der jede:n Einzelne:n begleitet und für die Weiterentwicklung des Teams sorgt. Dabei wird darauf geachtet, welche Bedürfnisse und Anforderungen der/die einzelne Mitarbeiter:in hat. Idealerweise nimmt die Führungskraft diese Rolle ein oder entwickelt sich mit der Zeit dorthin.
  • Rückhalt durch Sponsor: Gerade in Umfeldern, in denen Teilzeit in Führungspositionen als großes Experiment gesehen wird, ist ein starkes Sponsorship des Teams wichtig. Die Führungskraft und die Mitarbeiter:innen müssen sich darauf verlassen können, dass nicht sofort alles perfekt laufen muss und dass ihnen dadurch keine Nachteile in der Organisation entstehen.

Unternehmen können diesen Prozess – und mehr Selbstorganisation ist immer ein Prozess – unterstützen, indem sie Ressourcen zur Verfügung stellen und die Weiterentwicklung der Mitarbeiter:innen begleiten. Läuft es gut, kann so ein Pilot-Projekt ins gesamte Unternehmen ausstrahlen und zu einem echten Kulturentwicklungsschub führen.

Ich wünsche mir, dass Führung in Teilzeit zu einem Arbeitsmodell wie viele andere wird. Und dass es in Zukunft öfter heißt „Du willst als Führungskraft Teilzeit arbeiten? Super, wir unterstützen dich dabei!“

Johanna Fink
Johanna Fink

Meine Mission ist es, Führung in Teilzeit zum Erfolgsmodell für alle Beteiligten zu machen. Geschichten aus dem echten Leben, praktisches Wissen und meine eigenen Erfahrungen teile ich in diesem Blog und meinem Podcast 'Führen in Teilzeit'.

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